Das tschechische Berlin
Prag, die „goldene Stadt“ im Moldautal, hat mich wirklich überrascht! Fünf Tage lang habe ich mich (in wunderbarer Begleitung) durch die Stadt treiben lassen und doch nur einige der zahlreichen Stadtviertel erkundet. Hier prägen einerseits historische Bauten das Stadtbild, finden sich jedoch stets begleitet von den neuen, frischen Ideen der Bewohner.
Ein bisschen Hintergrundwissen muss sein: Prag (tschechisch Praha) ist nicht nur die Hauptstadt der Tschechischen Republik, sondern auch die bevölkerungsreichste Stadt des Landes. Im 14. Jahrhundert Residenzstadt des Heiligen Römischen Reiches wurde Prag schnell zum politisch-kulturellen Zentrum Mitteleuropas. 1348 begründete sich dort die erste Universität Mittel- und Osteuropas und Prag war Jahrhunderte lang eine multikulturelle Stadt, in der sich tschechische, deutsche und jüdische Kultur begegneten und gegenseitig inspirierten. Das historische Zentrum der „goldenen Stadt“, wie Prag von Karl IV genannt wurde, ist geprägt von gotischen und barocken Bauten. Seit 1991 gehört die im Zweiten Weltkrieg wenig zerstörte Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe.
So viel zum geografischen, geschichtlichen und kulturellen Hintergrund der Stadt. Abseits der üblichen Touristenpfade gibt es so viel zu entdecken! Und auch wenn diese fremd wirkende Sprache mit unseren Wörtern kaum etwas gemein hat, so begegnen einem die Prager doch meistens sehr offen und zuvorkommend. Es hat eine Weile gedauert, die knapp 800 (!) Fotos zu sortieren und eine Auswahl zu treffen. Was mich in fünf Tagen besonders begeistert hat habe ich wie folgt zusammengefasst:
AUSSICHT GENIEßEN – da hat Prag verschiedenste tolle Spots zu bieten. Und ich bin mir sicher, dass wir längst nicht alle entdeckt haben: Neben dem Turm des Altstädter Rathauses (Staroměstské nám. 1/3, 110 00 Praha) mit der Astronomischen Uhr gibt es in der Stadt noch die New Town Hall (Novoměstská radnice – Karlovo náměstí 1/23, 128 00 Praha), dessen Turm man erklimmen kann. Ist ein bisschen günstiger und auch weniger überlaufen. Direkt nebenan kann man im Innenhof des Café Neustadt (Karlovo nám. 23/1, 120 00 Praha) gemütlich sitzen oder schräg gegenüber im mamacoffee (Vodičkova 674/6, 110 00 Praha) einen Milchkaffee trinken.
Am linken Moldau-Ufer oberhalb der Karlsbrücke kann man einen wunderbaren Blick auf die Altstadt genießen, vom Letenské sady (Park) und dem Prager Metronom (Nábřeží Edvarda Beneke, 118 00 Praha) hat man beste Aussicht auf die Brücken der Stadt. Einen noch besseren Blick hat man vermutlich nur vom Žižkov Television Tower, mit 216 m der höchste Turm Prags (Observatorium auf 93 m) oder dem 63,5 m hohen Aussichtsturm Petřín, der ein wenig wie ein kleiner Eiffelturm anmutet.
Eher unbekannt ist wohl das Národní památník na Vítkově, ein Denkmal für den hussitischen Feldherrn Jan Žižka von Trucnov, das nah des Hauptbahnhofs auf dem Veitsberg (Vítkov) inmitten eines Parks liegt. Heute dient es als Gedenkstätte für unbekannte Soldaten und wurde vor einigen Jahren um ein Museum erweitert.
BIER TRINKEN & DEFTIG ESSEN kann man am besten in den zahlreichen kleinen und großen Brauereien und Kneipen der Stadt. In manchen sitzt man direkt neben den Braukesseln, es riecht nach Hopfen und Malz und es ist recht gut warm. Bei anderen kann man – wenn das Wetter mitspielt – sogar draußen im Biergarten sitzen. Die meisten Brauereien bieten hauseigenes Bier als Pils, Dunkles oder Trüb an – alles sehr lecker! Und das tschechisch-gutbürgerliche Essen (Knödel, Braten, Kraut) schmeckt sowieso und macht wunderbar satt. Zum Nachtisch gibt es zum Beispiel Germknödel gefüllt mit Pflaumenmus und dazu Vanillesoße. Für den kleinen Hunger bekommt man überall an Buden tschechische Würstchen mit Kraut im Brötchen.
ABSINTH PROBIEREN sollte man einmal im Leben, finde ich. Doch auch nach dem Test verschiedenster Zubereitungsweisen (pur und als Cocktail in der Absintherie, U Radnice 14/8, Náměstí Franze Kafky, 110 00 Praha – Staré Město) kann ich mich nicht so recht dafür begeistern… Außerdem will ich ja nicht wie van Gogh enden, denn ich brauche meine beiden Ohren noch.
WEIN ENTDECKEN kann man im Viniční altán (Havlíčkovy sady 1369, 120 00 Praha). Auf dem Hügel des Park Havlíčkovy sady gelegen findet man sich dort fast ein wenig in eine andere Welt versetzt: Bei einer lauen Brise kann man inmitten von Weinreben einen ganz wunderbaren Hauswein* genießen – dazu eine Wurst- und Käseplatte und das Leben ist ziemlich perfekt!
*… hat bereits mehrere Auszeichnungen erhalten, ist nicht ganz günstig, aber definitiv erschwinglich und absolut trinkenswert! Ich habe sogar eine Flasche für meine Lieben zu Hause mitgenommen.
HISTORISCH FRÜHSTÜCKEN ist im Cafe Louvre (Národní 22, Prag 110 00) ein absolutes Muss! Bereits das hölzerne Treppenhaus bietet einen Vorgeschmack auf das folgende Interieur. In Wiener Kaffeehaus-Atmosphäre gibt es dann eine tolle Auswahl an Frühstücksmenüs und einzelnen Speisen zu – für unsere Verhältnisse – erschwinglichen Preisen. Hier kann man sich hinsetzen und wohlfühlen.
MODERN SPEISEN ist zu jeder Tageszeit im Můj šálek kávy (Křižíkova 386/105, 186 00 Praha) möglich. Am meisten hat es uns jedoch auch hier die Frühstückskarte angetan (wer könnte schon frischen Pfannkuchen mit Blaubeeren widerstehen?!) – besser früh kommen oder vorher reservieren, damit man ganz in Ruhe essen kann. Wir haben noch in allerletzter Minute einen Tisch und das tolle Frühstück bekommen (bis 11.00 Uhr) und uns mehr als nur ein bisschen gefreut, weil es an den anderen Tischen einfach so toll aussah!
TRDELNÌK KAUFEN kann man in der Innenstadt an zahlreichen Ständen und in kleineren Geschäften. Dabei handelt es sich um ein traditionelles Gebäck, das ursprünglich aus Skalica in der Slowakei stammt: Auf einer Stange aufgerollter Teig wird über offenem Feuer gebacken und anschließend mit Zucker oder Nussraspeln bestäubt. Nicht alle sind gleich gut, also muss man sich – wohl oder übel – durchprobieren.
DURCH ENGE GASSEN GEHEN wird man in der Prager Altstadt unweigerlich. Hinter jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken und auch wenn man mal das Gefühl hat, sich verlaufen zu haben, findet man doch (meistens) zu bekannten Orten zurück.
DAS BURGAREAL ZU ERWANDERN dauert eine Weile und man sollte sich Zeit nehmen, die vielen Gassen anzuschauen. Belohnt wird man auch hier mit toller Aussicht und vielen historischen Gebäuden. Die Prager Burg (Pražský grad – Hrad I. nádvoří č. p 1, 119 08 Praha) liegt auf dem Berg Hradschin und ist eines der größten Burgareal mit umlaufender Mauer weltweit. Im 9. Jahrhundert erbaut wurde sie seit dem immer wieder verändert, zahlreiche Herzöge, Kaiser und Könige hinterließen ihre Spuren. Mitten auf dem Burgareal befindet sich der Veitsdom (Katedrála svatého Víta), begonnen 1344 und heute die Kathedrale des Erzbistums Prag.
GROßARTIGES LICHT macht diese Stadt noch ein bisschen schöner! Wenn man Glück hat, erwischt man abends die 1 bis 2 Stunden, bevor die Sonne untergeht („blaue Stunde“). Diese Lichtstimmung verzaubert Prag zu einem der schönsten Fotomotive, die ich kenne.
In der Bar des Kulturzentrums Containall (Cihelná 548/4, 118 00 Praha) kann man im Sommer gemütlich draußen sitzen. Auf dem Dach und vor den Containern sitzt man bei einem kühlen Bier mit Blick auf die Moldau. Manchmal gibt es abends auch Filmvorführungen.
EINE BRÜCKENÜBERQUERUNG MACHEN muss man unbedingt, denn Prag hat rund 180(!) davon. Sie verbinden die beiden Seiten der Stadt rechts und links der Moldau. Am bekanntesten ist wohl die Karlsbrücke (Karlův most), die im 14. Jahrhundert errichtet wurde und eine der ältesten Steinbrücken in Europa ist. 16 Bögen verbinden die Altstadt mit der Kleinseite, gesäumt von zahlreichen Heiligenfiguren. Heute für den Autoverkehr gesperrt kann man wunderbar, aber auch mit zahlreichen anderen Touristen, zu Fuß darüber gehen.
GÜNSTIG ist es für uns Westeuropäer in Prag auf jeden Fall. Und wenn man nicht gerade nach spottbillig sucht und die oft doch reichlich übertriebenen Eintrittspreise der Touristenattraktionen meidet, kann man es sich für kleines Geld verdammt gut gehen lassen in dieser Stadt.